Handschlag nach dem Konzert : Shovels and Rope.

Also, ich musste mich eben nicht verkleiden, um in Köln im Blue Shell das Konzert meiner Wahl zu sehen. Ich habe gerade das Gegenteil von dem erlebt, was sich dieser Tage in Berlin rund ums Astra abspielte bei jener Band, die sich neuerdings Pseudo-Geheimnamen gibt und auf viral macht. Ich will nicht gegen Reflektoren stänkern. Nichts gegen jene Band, die ich einmal vor rund drei Jahren im Tempodrom gesehen habe.

Shovels and Rope

Heute aber das direkte Gegenteil von dieser Band.

Heute Shovels and Rope.

  • Erdig und nicht verkopft.
  • Erstes Konzert in Germany.
  • Blanke Emotion.
  • Charleston, South Carolina, und nicht Montreal.
  • Cowyboy-Stiefel statt Glamour-Klamotten.
  • Ihr könnt anziehen, was Ihr wollt, statt Euch einem Dress-Code zu unterwerfen. Stichwort: „fancy“.
  • Zwei Leute auf der Bühne statt 9 oder so.
  • Alle, die da waren, werden von den Künstlern am Ende des Konzerts persönlich begrüßt. Also, mit Handschlag: „Danke, dass Ihr hier seid!“

Shovels and Rope

Und während ich die Band aus Montreal, die so arenenkompatibel ist, dass sie jetzt auf klandestin macht, weiter via Spotify streamen werde, habe ich gerade Shovels& Rope gekauft. Einfach so. Damit die beiden sich gleich noch ein Bier kaufen können. Von den 9 Dollar bleibt hoffentlich was übrig, da ich mir die Mühe gemacht habe, über deren Dualtone-Store zu kaufen und nicht über iTunes. So zahle ich gern.

Lebte ich in South Carolina, wäre ich gern mit denen befreundet und würde gern mit denen einen Tee oder was auf der front porch trinken.

IMG_4483Also, ich finde, die beiden haben einen warmen Empfang in Berlin verdient. In Köln waren wir 20. Das ist ein Minus-Geschäft. In Berlin werden es 200. Mindestens. Wer offen ist für Americana, Folk, Country, handgemachte Musik, der wird Freude haben. Die beiden beschreiben ihre Musik in ihren FAQs so: „They sing harmony driven folk, rock and country songs using two old guitars, a kick drum, a snare, a few tambourines, harmonicas, and and maybe a little keyboard sometimes.  They tour constantly as a two piece, making as much noise as they can.“

Wer die Videos kennt wird süchtig: Sommer, South-Carolina, Hunde:

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Rant und Gegenrant – Deutsch vs. Englisch in Berlin

Ich füge einfach mal meine Lieblingstweets zum Thema in umgekehrt chronologischer Reihenfolge aneinander. Meine kleine Mini-Doku:

4) – zuletzt @humblenudge, der als US-Amerikaner ulkigerweise auf die wechselseitigen Beschimpfungen von Menschen mit angloamerikanischem Hintergrund auf Deutsch antwortet:

https://twitter.com/humblenudge/status/304970027323518976

3) – davor @foxeen:

2) – heute morgen @uberlin:

https://twitter.com/uberlinblog/status/304902605400862720

1) – und das war der Auslöser im Exberliner:

https://twitter.com/exberlinermag/status/304162359260352512

Ulkige Randbemerkung, btw: Ich bin Abonnent des Heftes. Es liegt in Papierform seit ein paar Tagen vor mir. Aber den Rant auf Seite 23 habe ich erst heute im Netz wahrgenommen, als der Link von Tondatei auf Facebook gepostet wurde.

Mein erster Reflex war: Wenn jetzt auch noch der Exberliner in dieses xenophobe Horn stößt, wird mir angst und bange. Ich möchte nicht allein gelassen werden mit der   „Ditt-ham-wa-nich“-Fraktion. Aber wozu all dies Ge-rant-e? Es gibt doch auch zahllose angloamerikanische Muttersprachler, die besseres Deutsch sprechen als jene Froilleins, die dereinst dem Deutschen entgegen blafften: „Draußen gibt’s nur Kännchen.“

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Erst die Ausländer, dann die Schwaben, jetzt die Zombies – alle raus?

Zombies raus! So las ich in der vergangenen Nacht und musste laut lachen. Die Plakatkleber der „FPD“ haben zugeschlagen. Ich entdeckte ein Quäntchen Ironie in der oft so ironiefrei geführten G-Debatte, was wohl meiner guten Laune geschuldet war. Einmal drüber geschlafen sehe ich das anders. Ohne in die eine oder andere Richtung mich politisch äußern zu wollen (das wird mir zunehmend egal), hat dieses FPD-Plakat doch was Exkludierendes. Ich plädiere für Inklusion – in alle Richtungen. Vielleicht können Zombies und FPD-Menschen ja zusammen leben?

 

copyright: Andreas Main

copyright: Andreas Main

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Mein Retter Azzam

Der Schock steckt mir noch in den Knochen. Portemonnaie weg. Ich denke nach. Da ich nonstop an einer Detroit-Sendung (Achtung, Eigenwerbung: DLF, Corso-Spezial, 3.10.2012, 15.05-16 Uhr!) arbeite, kann es nur vor 24 Stunden verschwunden sein. Da war ich mit @humblenudge verabredet zum Hummus-Essen.

Ich wollte da immer schon mal hin, hatte mir auch einen Zeit-Artikel über dieses Restaurant abgelegt. (Wir Medienheinis lieben ja solche Geschichten: Ein Palästinenser und ein Israeli können sich immerhin über Hummus verständigen, während sie doch so viel trennt.)

Es war extrem lecker. Wir haben uns für Foul und Hummus entschieden. Azzam ist im tiefsten Neukölln gelegen – auf der Sonnenallee. Eine krasse Gegend: Teile der veröffentlichten Meinung nutzen diese Ecke rund um die Rütli-Schule leidenschaftlich als Synonym für gescheiterte Integration. Andere aus selbigem Klischee-Gewerbe wiederum verharmlosen die Probleme dieser Berliner Nachbarschaft. Gleichzeitig wird die Gegend über alles geliebt von jungen Menschen, egal ob aus Hannover oder Portland/Oregon oder Madrid.

Wie auch immer: Auf der Sonnenallee lässt man keine Geldbörse rum liegen. Ich habe es getan und würde diese Dummheit nicht öffentlich machen, erzählte dies nicht einiges über diese Stadt, dieses Berlin, über die ich so oft lästere.

Also, 24 Stunden später, ich suche noch mal die Wohnung ab, finde nichts. Ich checke online meine Konten, ob schon alles leer geräumt. Ruhe an dieser Front. Ich sperre die Karten noch nicht. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich fahre hin. Azzam hat viele Mitarbeiter. Aber ich erkenne den jungen Chef sofort – wegen des Zeit-Artikels. Hussam Azzam heißt er. Ich frage ihn, ob er ein Portemonnaie gefunden hat. Er mit ernster Mine: Nein, das täte ihm leid. Nichts. Um dann loszuprusten: „Da waren nur 10€ drin. Die sind immer noch drin.“ Aus mir bricht der Satz raus: „Alter, das glaube ich nicht.“ Ich wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen. Das tue ich leider nicht, erheitere stattdessen das gesamte Restaurant mit meiner Freude darüber, dass ich nicht Karten sperren, Karten, Führerschein etc. nachbestellen muss.

Im übrigen weigert sich Azzam, als ich ihm anbiete: „Du bekommst mein ganzes Bargeld.“ Erst als ich es als Trinkgeld für alle Mitarbeiter umdeklariere, verschwindet es in seiner Hosentasche.

Danach bin ich so aufgekratzt, dass ich noch nicht mal in der Lage bin, anständige Fotos zu machen. Auf jeden Fall gebe ich Azzam recht. Er prophezeit: „Du kommst sicher wieder.“ Und im Stillen denke ich: Gut, dass es gute Menschen gibt. Überall.

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Street Art – mysterious…

Vor einer Woche pendelte ich mal wieder von Köln nach Berlin. Auf meinem Fußweg von der Warschauer Brücke in Richtung Görlitzer Park fotografierte ich übermüdet Street Art, die mir über den Weg lief. Oder besser: zu laufen schien. Denn der junge Mann und die junge Frau sahen im Dunkeln überaus real aus.

Street art @ Falckensteinstraße, Berlin, Kreuzberg, Germany

copyright: Andreas Main

Und ein paar hundert Meter oder drei Minuten weiter:

Street art @ Görlitzer Straße, Berlin, Kreuzberg, Germany

copyright: Andreas Main

Also, da oben – das sind Fotos, die ich mit dem iPhone gemacht habe. Ich zeigte sie hier und dort, aber dann vergaß ich sie. Tage später holten mich die alte Dame und der junge Mann wieder ein bzw. packten mich erneut. Seitdem lassen sie mich nicht los. Ich musste noch mal nachschauen und mit besserer Kamera fotografieren.

Street art @ Falckensteinstraße, Berlin, Kreuzberg, Germany

copyright: Andreas Main

Vor diesen Figuren stehend dachte ich nur: Klasse. Großes Kino. Aber noch immer fielen mir die Schuppen nicht von den Augen.

Street art @ Görlitzer Straße, Berlin, Kreuzberg, Germany

copyright: Andreas Main

Erst gestern Nacht machte es Klick, als ich die Bilder groß zoomte. Diese Street Art hat noch eine weitere Ebene. Es ist nicht nur die Irritation: Als schliche da neben einem jemand an der Wand lang. Es ist mehr: und zwar offenbar Material von Google Street View. Auf jeden Fall verbindet die beiden Personen nicht nur, dass es sich offensichtlich um einen Künstler handelt, sondern auch die Tatsache, dass in der Bildmitte „Google 2008“ zu lesen ist.

Das scheinen Prints zu sein aus Google-Street-View-Seiten. Also: Erst digitalisiert Google Menschen, dann kopiert ein anonymer (?) Künstler diese Menschen, klont sie als Print und lässt sie wieder frei, setzt sie aus an anderer (?) Stelle…

Vielleicht ist das alles ein alter Hut, und es ist schon 1.000 Mal drüber geschrieben worden. Und nur ich habe das nicht mitgekriegt. Dann sagt mir bitte: Wer ist der Artist? Gibt es noch mehr davon? (Ich habe gerade keine Zeit zur Recherche aka Googeln.) Falls dies also eine olle Kamelle ist, verzeiht, sonst staunt mit mir.

 

Nachtrag, zwei Wochen später: Ich erfahre gerade, dass das Projekt „Street Ghosts“ heißt. Es ist von einem New Yorker Künstler: Paolo Cirio. Und es ist tatsächlich brandneu. So neu, dass ich offenbar mehrere Tage vor seiner Pressemitteilung über sein Projekt geschrieben habe. Und auch gut eine Woche vor den ersten Zeitungsberichten. Im übrigen ist es schon interessant, dass ein Leipziger Künstler offenbar eine ähnliche Idee hatte. Er verkauft seine Arbeiten in Galerien.

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Sky hat mein Leben verändert

Es war einmal ein Boxer: Der hat mir als Kind einen Ball zerbissen. Und es war einmal ein Vater: Der musste mich vor einem Rottweiler schützen, der mich überragte und mich bei einer Wanderung im Schwarzwald fressen wollte. Ich bin kein Hundefreund seitdem. Eher ein Schisser. Das überspiele ich, imdem ich Sprüche klopfe, mit denen ich mir keine Freunde mache. Etwa: Nur ein toter Hund ist ein guter Hund.

Wenn ich einen Kampfhund sehe, wechselte ich am liebsten die Straßenseite. Was mir allerdings als zu entwürdigend erscheint, weshalb ich fast immer drauf verzichte. Der Stolz gebietet es.

Seit gestern ist alles anders.

 

 

 

 

Ich traf in Köln vor der Haustür die Besitzerin von Sky. Sky ist ein American Stafford. Der Nickname für diese Hunderrasse: Amstaff. Manche würden ihn wohl auch als Pitbull oder Bullterrier bezeichnen. Da wir in Portland / Oregon in Kürze bei Freunden wohnen, die vier Hunde haben, davon einen Kampfhund, was mich bis dato nervös machte, habe ich die Chance beim Schopf ergriffen und etwas getan, was die, die mich kennen, mir nicht glauben werden:

 

 

Ich habe mich der Hundehalterin ganz und gar anvertraut und diesem sehr kräftigen Tier etwas zu Fressen gegeben. In Treatment: Angstabbau, Grenzüberschreitung, Enthemmung. Es war wie auf Drogen.

Dann sagte Uschi Müller, die Hundehalterin, ich solle das Leckerli mal so halten, dass Sky springt und den Käse in der Luft erhascht. Das erschien mir dann doch ein bisschen zu gewagt.

 

 

Aber immerhin: Ich riskierte es, Sky nicht nur mit der flachen Hand zu füttern, sondern mit spitzen Fingern. So geschah es mehrfach, dass meine Hand im Mund eines American Stafford landete.

 

 

Ich fühlte mich wie im Zirkus: wie jene Frau, die sich vor diese Scheibe stellt und sich mit Messern bewerfen lässt, oder jener Mann, der den Kopf ins Maul eines Tigers steckt. Oder eines Löwen. Voll die Endorphin-Ausschüttung.

 

 

So ganz sicher war ich aber meiner Sache wohl doch nicht. Andernfalls täte ich nicht so grenzdebil dreinschauen. Aber ich muss belegen, dass es wirklich ich bin, der dieses monströse Tier namens Sky gestreichelt hat.

 

 

Amerika, nun kann ich kommen! Portlanders, jetzt darf ich Euch besuchen. Jetzt kann ich ehrlich ausrufen: So cute!, wenn ich Eure Kampfhunde streichele.

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Mit dem neuen Objektiv in meiner Hood

Ich habe mir ein neues Objektiv gekauft. Es war lange nicht lieferbar. Die Erdbeben- und Atom-Katastrophe hat auch die Produktion bei Nikon beeinträchtigt. Ich würde gern mit Menschen aus Japan reden, wie es ihnen heute geht. Derweil mache  ich Fotos in meiner Nachbarschaft. Die Qualität der Fotos fasziniert mich – und so lasse ich Euch an meinen Fotos teilhaben und denke zugleich fortwährend an jene, die vom Meer davon gespült oder später verstrahlt wurden.

Uns geht es dagegen zur Zeit sehr gut:

Frühling trotz winterlicher Temperaturen

Heute mal weniger geschwätzig. Einfach nur Bilder. Will ja das neue Objektiv transparent machen. Es ist nichts superteures. Einfach nur: Nikkor Lens AF-S Nikkor 50mm F / 1.8

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Bitte lest dies nicht! Es geht um „Charlotte 1“.

Ich fahre meilenweit für „Charlotte 1“. Um präzise zu sein: 4,3 Kilometer resp. 18 Minuten. Es gibt rund um meinen Zweitwohnsitz im Berliner „Wrangelkiez“ so viele Möglichkeiten, mittags günstig und lecker zu essen – aber „Charlotte 1“ macht das Leben schöner. Ganz nüchtern betrachtet ist „Charlotte 1“ ein italienischer Imbiss; pathetisch wie ich bin, sage ich: „Charlotte 1“ ist das Herz Berlins.

Also, der Kaffee von Marcello und Franzis (oder Francis?) – lasst es Euch gesagt sein, liebe Wirte allerorten – ist nichts für lauwarme Weichspüler. Er ist richtig warm und geht in den Kopf. Wiewohl mit Herz gemacht.

Um noch mal von vorn anzufangen: Es gibt mehrere gute Gründe, in die Charlottenstraße zu fahren.

Da ist die Galerie Scheibler Mitte.

Da ist das Rückenzentrum in der Markgrafenstraße mit einer Physiotherapeutin, die mich schon oft gerettet hat. Ihren Namen werde ich dennoch hier nicht verraten.

Da ist Competitionline, die führende Internet-Plattform für Architektur-Wettbewerbe. Die Mitarbeiter_innen von Competitionline gehen seit der Charlotte-Eröffnung dort ein und aus – und eine von ihnen öffnete mir die Augen. Auch dafür: Danke!

All dies in einem Carree von 400 Metern. Es ist der tiefste Westen Kreuzbergs.

Meine emotionale Homebase ist im tiefsten Osten Kreuzbergs. Zwischen diesen zwei Polen meines Lebens spannt sich ein Stadtteil, in dem so vieles fasziniert (intelligente Street Art), so vieles abstößt (röhrende Motoren von BMW-Karossen mit abgedunkelten Fenstern) und so vieles entsetzt (ein Behinderter, der am noch immer winterlichen Kottbusser Tor barfuß bettelt – die deformierten Füße sichtbar für alle). Rund 150.000 Menschen leben hier. Ich fahre relativ regelmäßig vom einen zum anderen Ende Kreuzbergs – für diesen Imbiss.

Eigentlich sollte ich über „Charlotte 1“ kein Wort verlieren. Ihr solltet dies nicht lesen. Ihr solltet auf keinen Fall dorthin gehen. Denn es ist oft überfüllt. Zumindest mittags. Dann wirkt die Schlange manchmal, als gäbe es das letzte Mal in Berlin etwas zu essen.

Nudeln und Pizza und Salat – und das zu wirklich vernünftigen Preisen!

Die wurden vor wenigen Tagen erstmals seit der Eröffnung um ein paar Cents erhöht. Zum Glück. Denn das macht es wahrscheinlicher, dass dieser Ort uns noch länger erhalten bleibt. Alles ist selbst gemacht: das Brot …

und der Kuchen:

Das ist Knochenarbeit. Und doch haben die beiden fast immer Zeit für ein Schwätzchen. Damit wird dieser Ort zu einem der unberlinischsten Orte Berlins: Verbindlichkeit, Freundlichkeit, gute Laune. Okay, gibt es auch andernorts. Manchmal. Aber in einem derart ausgeprägten Maße wie bei „Charlotte 1“? Nun ja. Das ist schon speziell. Da wird der Freund, der noch nicht so oft da war wie ich, gefragt, ob er Regisseur sei. Und ich bin mir sicher, die beiden wissen noch in ein paar Wochen, was er wirklich macht. Ja: „Charlotte 1“ ist die Wärmstube für Kreuzberger Kreative.

Literaturtipps gibt es auch manchmal gratis – auch Familiengeschichten. Aber seid gewarnt: Geht möglichst außerhalb der Kernzeiten in diesen Imbiss. Seid entspannt. Macht Euch locker und gut gelaunt. Sonst geht das gar nicht.

Denn das Team von Charlotte ist schnell und versucht, alles möglich zu machen. Aber wenn da 30 Menschen um 13 Uhr gleichzeitig essen wollen, dann wird es eng. Wer keine Lust hat, auf einen leeren Stuhl zu warten und sich mit anderen Wartenden abzusprechen, gehe lieber in die umliegenden Kantinen von Springer oder Arbeitsamt etc.

Auch wenn ich mir die Radtour in den Westen nur alle paar Wochen gönne, freue ich mich schon jetzt auf meinen nächsten Besuch. Ich bleibe Stammgast. Wer die Nicht-Stammgast-Perspektive eines Amerikaners lesen möchte und wie er „Charlotte 1“ suchte und  fand, dem sei dieses Blogpost von Multiple Reality Disorder dringend empfohlen.

Was nun aber wirklich noch nachgetragen werden muss. Die erste, die ausführlich über „Charlotte 1“ geschrieben hat ist Morningside, die viel mehr bloggen sollte. So wie dereinst. Sie war es, die mich dazu brachte, mich im Alter mit der Blogosphere zu beschäftigen.

Chapeau, Morningside. Chapeau Charlotte 1!

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Ich liebe BE.

 

Eigentlich sagt das alles über Berlin.

 

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„I’ll only leave Berlin if it stops changing.“

Er berlinert wie ein Weltmeister. Er ist nicht mehr ganz jung. Vor ein paar Jahren hat er mir mal erzählt, dass er fast immer Deutschlandfunk hört. Auch im Laden. Da lief gerade eine der Sendungen, für die ich arbeite. Bei meinen letzten Besuchen hörte er was anderes, aber egal. Ich weiß noch nicht mal, wie der Mann heißt. Oder wie man so einen Laden nennt, in dem es bis heute Glühbirnen – also so richtige: die glühen und warmes Licht spenden. Und das auch noch zu einem halbwegs vernünftigen Preis. Ich nenne ihn einfach mal Herr Kleinkramladen. Zu finden ist er auf der Wrangelstraße in SO 36. Kreuzberg.

Solche Dinge gibt es da. Aber auch Dinge des Alltags, die einem gerade fehlen und lebenswichtig erscheinen. Batterien, zum Beispiel. Herr Kleinkramladen spricht nicht zu viel. Er ist Berliner. Aber es gelingt fast immer, ihn mit ein paar Freundlichkeiten aus der Reserve zu locken. Es ist ihm anzusehen, was er denkt. Wenn drei leicht betrunkene und angeschlagene Zeitgenossen minutenlang den Kauf eines Feuerzeugs für 0,90 € debattieren und eine Dunstwolke den Raum erfüllt, dann sehe ich meinem Herrn Kleinkramladen an, was er denkt. Und doch: Er schafft es, alle gleich freundlich zu bedienen und entspannt zu bleiben. Ich könnte das nicht. Wenngleich ich von ihm lerne: Ich warte mit ihm, bis das Feuerzeug in aller Ruhe ausdebattiert ist. Wohlgemerkt: Herr Kleinkramladen ist alles andere als der langhaarige Alt-Kreuzberger mit Sozialarbeiter-Attitüde. Er ist ein Eingeborener. Zumindest scheint es so. Ihn nervt viel, behaupte ich mal. Aber er ist ‚ a mensch‘.

Wie sagt der Schauspieler August Diehl so schön in der Februar-Ausgabe 2012 des „Exberliner“? „I’ll only leave Berlin if it stops changing.“ Das kann ich 100%ig unterschreiben. Und doch werde ich manchmal sentimental. Denn ich fürchte, alsbald wird es solche Typen wie Herrn Kleinkramladen nicht mehr geben.

Nun unterstellen mir böse Freunde ja immer wieder, ich sei ein öffentlich-rechtlicher Bohemien, der zu viel Zeit hat. Was nicht stimmt. Doch natürlich: Wenn ich über mein Viertel endlos schwadroniere, könnte der Eindruck entstehen. Aber es passiert hier einfach so viel. Ich muss das los werden, was ich während zweier kurzer Spaziergänge beobachte. Da gibt es so gegensätzliche Eindrücke: Das Ladenlokal zum Beispiel, dessen Scheibe mit diesem Weihnachtsmann beklebt ist, steht seit rund acht Jahren leer. Es war mal ein „Plus“, der  noch vergammelter daher kam als der einstige Kaiser’s vor der Renovierung. Bis heute – Gentrification hin oder her – will niemand diese Bude.

 

Aber wenn rund 30jährige Freaks italienischer oder spanischer Provenienz ein paar Meter weiter eine Galerie eröffnen, dann kleben linke Xenophobe entsprechende Aufkleber auf deren Scheiben. Das schlichte Gemüt findet: Galerie ist böse.

Leute, kommt hierhin. Wrangelkiez ist spannend. Gestern am späten Abend gab es einen Großeinsatz der Polizei gegen die Drogendealer im Görlitzer Park. Ich habe kein Foto gemacht. Wäre wohl auch nicht gut angekommen. Das sieht schon heftig aus, wenn auf der Görlitzer Straße rund 30 Afrikaner mit dem Gesicht zur Parkmauer stehen, Hände überm Kopf – umringt von ein paar Dutzend Polizist_innen. Der Ton war ausgesprochen geschäftsmäßig. Die Dealer wurden geduzt, was wohl nicht die reine Lehre ist – aber dies nicht unfreundlich. Auch wenn mich das individuelle Schicksal des individuellen Dealers nicht kalt lässt, die Situation ist über die Jahre so geworden, dass ich hier keine Kleinkinder haben wollte. Das sehen die vielen Eltern mit Kleinkindern offenbar anders, was mich erfreut. Aber ein Park, der rund um die Uhr belagert wird von einer Hundertschaft von Dealern, ist ja wohl kein Park. Zumal auch das Dealer-Leben gefährdet ist: Es hat, seit die Dealer-Szene vor rund zwei Jahren  in den Park schwappte, (anfangs im rechtsfreien Raum vollkommen unbehelligt von Ordnungskräften) mindestens Tote und jüngst erneut eine Messerstecherei gegeben. Und so mache ich mich gern zum Alien in einem ‚Kiez‘, in dem man gern von ‚Bullen‘ redet. Danke an die Polizei.

Jetzt bin ich wieder bei einem ernsten Thema gelandet. Eigentlich wollte ich doch nur die lustigen Bilder loswerden. Und was über zwei kulinarische Glanzlichter erzählen: Koriat und Charlotte 1. Das kommt dann im Laufe der Woche.

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